Brazine Brasilianische Medien für Deutschland, Österreich und Schweiz, Nr. 23
Von Österreich in die Welt
Blogs und Fotologs gewinnen in den letzten Jahren mehr und mehr an Bedeutung und sind teilweise auch verantwortlich für die anwachsende Navigationsdauer brasilianischer Internetfreaks. Darunter einige, die sich mehr anhand von Blogs von Journalisten und bekannten Persönlichkeiten informieren, als durch Zeitungen. Dem gemeinen Bürger indessen bieten die Blogs eine Möglichkeit zum Mitteilungs-, Artikel-, Foto- und Videoaustausch und ermöglichen die Interaktion mit dem „Publikum“, das zu jeder Einstellung seine Meinung abgeben kann.
Verschiedene Brasilianer benutzen dieses „Utensil“ auch, um das Leben auf der anderen Seite des Ozeans zu demonstrieren. Der Wunsch, ihre Erfahrungen auf österreichischem Boden mit anderen zu teilen und die Lust am Schreiben waren die maßgeblichen Motivationen für die Designerin Lívia Mata, die 1989 Niterói mit Wien tauschte. Seit dem vergangenen Jahr „ernährt“ sie nun unter dem Pseudonym Lina Mares den „Bananenstrudel“. Mit witzigen Texten und einer einfachen und direkten Sprache handelt die Mehrzahl der Chroniken über ihre Routine und zeigt dabei ein „brasilianisches Bild“ von Österreich, welches von den inspirierenden Momenten, die sie an der Seite ihrer Kinder, ihres Mannes und von Freunden erlebt, profitiert.
„Ich habe schon immer viel geschrieben. Seitdem ich meine Kinder habe, ist mein soziales Leben sehr eingeschränkt. Der Blog war eine Form, die ich gefunden habe, um die Plauderei unter Freunden, normalerweise begleitet von Bier und Heiterkeit, an der ich nun selten teilhaben kann, fortzusetzen. Auch um Leuten die Österreich nicht oder nur von der touristischen Seite kennen, zu zeigen, wie das Leben in den Alpen wirklich ist“.
Wenn auch das Ziel Kommunikation ist, hat man doch manchmal das Gefühl „mit der Wand zu reden“. Geraten wird, Werbung zu machen und den Inhalt spannend zu gestalten, sagt die Brasilianerin. Deshalb hat sie keine festen Zeiten für ihre Einstellungen und lässt ihre Kreativität aufblühen, um eine gute Geschichte zu schreiben. „Für mich ist die Qualität wichtig, nicht die Quantität. Manchmal brauche ich 3 Wochen für eine gute Episode. Wenn es soweit ist, schicke ich einen Newsletter an meine Kontakte via E-Mail und Orkut (Internetgemeinde besonders von Brasilianern benutzt)“.
Die gestalterische Freiheit und der direkte Austausch mit den Lesern sind auch Motivation für Lívia, etwas einzustellen. „Das Internet ist ein gutes Mittel, sich Informationen und Wissen ohne Zensur anzueignen. Abgesehen davon, dass man von überall auf der Welt Zugang bekommt, ohne sich dem langwierigen und kostspieligen Prozess von Grafik, Druck, Transport und Verteilung auszusetzen“.
Sie weiß jedoch, dass die Virtualität (das Netz) sie nicht davor schützt, sich der Kritik zu stellen.
„Ich fühle mich oft ausgeliefert. Ich habe nie Kommentare zensiert und bis jetzt hatte ich erst eine schlechte Kritik. Im Moment ist mein Publikum auf Personen beschränkt, die gut portugiesisch lesen und ich stelle mir den Tag vor, an dem ich die Texte `Bist du schon Österreicher/in?? und `Österreicher oder nicht Österreicher‘ ins Deutsche übersetze… Was für Kommentare würde ich wohl von den alpinen Kameraden bekommen? Mit Sicherheit nicht nur Blumen“.
Ein anderes Problem sind die Unkosten für einen persönlichen Blog, der auch Zeit benötigt. Es ist schwierig, die Marketing zu arbeiten. „Ich kenne keinen Blog, der finanziell erfolgreich ist“, bestätigt Lívia, die sich immer noch sehr über das Feedback vieler Leser freut; Lob und Ansporn, ein Buch zu schreiben gibt es viel.
Das ist der Lohn für ihre persönliche Investition und ein Thermometer für den Erfolg in diesem Geschäft. „Ich wollte wirklich gern ein Buch mit Erzählungen schreiben, aber ich wollte ein Projekt machen ohne große Komplikationen und ohne Abhängigkeit von niemandem, nur von meinen Ideen, in Form von Geschichten, vom Computer als Arbeitsinstrument und vom Internet als Verteiler. Da kam mir die Idee mit dem Blog. Er ist gleichzeitig ein Test für die Beurteilung der Qualität meiner Texte; um herauszufinden, ob die anderen sie auch mögen. Das ist klasse im Internet. Einen sofortigen Bescheid, den man mit den Kommentaren bekommt, einen Zugriff, den die ganze Welt auf meine Texte hat. Ich hatte schon Klicks aus Tucson in Arizona bis Melbourne in Australien und Lakonia in Griechenland“.
Die virtuelle Erfahrung trug auch Früchte in ihrem Privatleben; im Internet traf Lívia eine Landsmännin, die nun in Wien lebt. Auch entdeckte sie durch Orkut, beim Checken der „Brasilianer in Wien“, das Wachstum der lokalen „Kolonie“. „Als ich hier ankam, gab es weniger als 10 Brasilianer und alle kannten sich. Die Mehrzahl wohnte in derselben Straße. Als ich vor wenigen Monaten mich wieder in dieser Gemeinschaft befand, stellte ich fest, dass ich nicht mal mehr ein Drittel der Brasilianer, die hier wohnen, kenne!“
Wer es ausprobieren und seinen eigenen Blog einrichten möchte, dem möchte Lívia noch sagen, dass es verschiedene Server gibt, die alle notwendigen Arbeitsmittel und Layouts, wie Blogspot oder Multiply anbieten. „Die Programme zeigen Schritt für Schritt, wie man eine Seite baut. Man braucht nur ein wenig Zeit und Geduld“.
Wer lieber Geschichten verfolgen möchte, als sie selbst aufzuschreiben, Lívia’s findet man unter:
Fotos Marcelo Perocco
Deutsch von Ulrike Göldner